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Ankündigung neue Ausstellung
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MAL WIEDER...
Bilder von Astrid Grauer

am 03.09. - 23.10.2022
im Stadtmuseum Riesa

Vernissage 02.09.2022
im Stadtmuseum Riesa

EINFÜHRUNG IN DIE AUSSTELLUNG
Dr. Jördis Lademann (Dresden)


mit Musik von Stefan Lux


Bilder von der Vernissage am 02.09.2022

Fotos: Lena-Marie Zitzke und Franz Grauer


Laudatio zu "Mal wieder… - Malerei von Astrid Grauer"

Ausstellung im Stadtmuseum Riesa, 2.9. - 23.10.2022

Lassen wir die Puppen tanzen - liebe Kunstfreunde, liebe Astrid Grauer - Sie - lassen die Puppen tanzen! (wieder mal…)

Sie lassen die Puppen tanzen, träumen, reisen, fliegen, provozieren,… sich ent-puppen.

Denn vor einem Jahrzehnt etwa haben Sie, neben ihrem großen Thema, der in Eros und Gesellschaft nach Selbstbestimmung suchenden Frau, vor allem alte,
authentisch bespielte Puppen (aus dem frühen 20.Jahrhundert etwa)als ein Medium erkannt, über welches Sie sehr konzentriert und schlüssig eine feine
Klaviatur emotionaler Gestimmtheiten inszenieren und transponieren können. Und zwar ganz anonym.

Denn eine Puppe - gleich, wie liebevoll sie geformt und bemalt wurde - trägt ein typisiertes, bewegungsloses Gesicht, und
bis auf gelegentliches, aber sehr effektvolles Augenklimpern und mitunter veränderter Frisur, macht sie meist gute Miene zu jedem Spiel.
Über die Körpersprache jedoch, deren Aktionsradius zwar ebenfalls (abhängig von Anzahl und Belastbarkeit der Gelenke an Armen, Beinen und dem Kopf),
einerseits eingeschränkt ist, - über Körpersprache lässt sich andererseits aber, in unnatürlichen Überdehnungen etwa, auch eine expressive
Ausdruckssteigerung herbeiführen. Wenn…
Wenn das Gesamtbild in seiner Komposition, in seiner Farbigkeit und weiteren symbolhaften Aufladung schlüssige
und assoziationsreiche Einstiegsmöglichkeiten für den Betrachter bietet.

Und dies beherrscht Astrid Grauer in nahezu magischer Eindringlichkeit:
Im Mittelpunkt steht meist vor einer zentrierenden, bunt kontrastierenden Hintergrundsfläche eine zentrale Figur oder Gruppe, die uns oft schon durch
den intensiven Blick ihrer großen Puppenaugen in ihren Bann zieht. Hinter und um diese Hauptfiguren herum aber, die in ihrer puppenhaften Körperlichkeit
bis ins Detail realistisch erfasst sind, lässt sie auf teppichartig überreich dekorierten Kulissen sich ein phantastisches Eigenleben immer
wiederkehrender Symbole entspinnen, wie dem Fisch, den Apfel, die Schlange, den Vogel, Augen, Blätter, Blüten, blau fließende Flüsse, Schiffchen usw.

Deren surrealer Eindruck wird betont durch verschiedentlich scheinbar im Langettenstich eingepatchte Teilflächen, die stellenweise eine textile Optik
suggerieren - zumal ja die Kleider der Puppen wieder; in der verschiedenen Haptik der Stoffe und feinen Spitzen herausgearbeitet, äußerst naturalistisch
greifbar erscheinen.

Doch alle hier vertretenen Arbeiten entstanden in Acrylfarbe auf Leinwand, ohne tatsächliche Applikationen, und auch ohne vorherige Ideenskizzen gleich
auf die grundierte Bildfläche: zuerst die Hauptfiguren, um die herum sich dann die Welt der visionären Möglichkeiten, oftmals in diametralen Deutungsebenen
-schön und schauderhaft - entfaltet.

Der Zeitraum, in dem die nahezu 40 ausgestellten Arbeiten entstanden, liegt zwischen 2007 bis 2022.
Sie, liebe Gäste, die sicher zum großen Teil von hier aus Riesa, aus Strehla, wo Astrid Grauer lebt, oder aus Großenhain kommen, wo sie seit 2003
(so lange schon wieder) am Werner-von-Siemens Gymnasium, Kunst unterrichtet - Sie haben vielleicht schon hin und wieder eine ihrer Ausstellungen sehen
können oder ihren Weg ohnehin seit langem verfolgt.-

Erinnerungen an die früheren Arbeiten können Sie an der hinteren, gegenüberliegenden Wand, aus den
Jahren 2007, 2010 und 11 sehen, als sie sich gerade mit ihren "Gemalten Weibern" und "Weibsbildern" herumschlug - jedes Mal, wie unmittelbar nachfühlbar
ist, in einem schmerzhaften Selbstbefragungsprozess - auch wenn auf diesen Bildern keine Gesichter, sondern verbergende Masken und Hände und schutzlos
nackte Körper zu sehen sind, die sich vom Einfluss der überall sie beobachtenden Augen befreien wollen.

In diesem Sinne ist auch das Motto, das sie damals, 2008, einer ihrer Ausstellungen vorausschickte, durchaus treffend - obwohl es zugleich die Bedeutung
des prozessualen Bildermachens durch die Künstlerin unterzubewerten scheint. Die Losung lautete: "Kunstwerke sind wie Frauen, denn wer glaubt, sie auf den
ersten Blick verstehen zu können, dem entgeht der eigentliche Zauber!"

…Der eigentliche Zauber!

Wenn wir also das Wort Zauber nicht nur im Sinne rätselhafter Verzückung verstehen, sondern auch als Auflösung rätselhafter, irrationaler Visionen, denen
sich Künstler wie Astrid Grauer stellen, dann ist dieses Wort natürlich voll gültig!
Und dass die Künstlerin mehrdeutige Wortspielereien liebt, offenbaren viele ihrer Bildtitel.

Ja, auch die Geschichte ist den meisten von Ihnen sicher schon bekannt: Die Kunstpädagogin wollte anfangs - obwohl mehrfach dazu angeregt - gar nicht als
Künstlerin hervortreten, wollte nicht öffentlich ausstellen. Sie malte ja ursprünglich für sich, um im Zwiegespräch mit sich selbst die hellen und die
dunklen Gedankengänge bildhaft zunächst zu artikulieren, um dann mit ihnen umgehen zu können; jedes Ding mit seinen wenigstens zwei Seiten
betrachten und selbst die bedrohlichen nüchterner einordnen zu können.

Aber sie ging gestärkt aus diesen Kraftproben mit der Malerei hervor, und bald auch mit ihrer Scheu vor einem Aussstellungspuplikum.
"Die Frau im Bilde…" von 2013, aber auch schon "Die Versuchung m Puppe", 2010, lassen dies deutlich spürbar werden.
Schon damals erkannte sie, dass sie das beobachtende Auge selbst in die Hand nehmen kann, genau wie die Fäden, die die Bewegungen der Puppe führen.

Aber anders als in ihren neueren Bildern ist damals die Puppe metaphorisch für junge, "blond" und blauäugige "Wanderpokale"
sexistisch veranlagter Männer noch viel direkter eingesetzt, - noch dazu vor dem Hintergrund der jugendstilig dekorativen Tapete, mit den vielen, um
Bestäubung werbenden Blütenköpfen. Etwa im Sinne von Georg Büchners "Puppen sind wir, von unbekannten Gewalten
am Draht gezogen; nichts,- nichts wir selbst!"


Das schärfte wohl ihren Blick auf wirkliche Puppen, mit denen Mädchen seit Generationen und von Kindesbeinen an, klischeehaft auf das ihr zugedachte
Rollenspiel im Leben eingestimmt wurden - als hübsches, freundliches und möglichst adrett gekleidetes Mädchenideal.

Das Schlüsselerlebnis mag sie 2013 gehabt haben, als sie diese vier arg bespielten, vom realen Leben gezeichneten Exemplare beim Trödel entdeckte -
obwohl es noch nicht einmal derartige Luxusexemplare waren, für die Sammler heute einiges Geld investieren, und wie sie mittlerweile Astrid Grauer nun in
den letzten Jahren gern als Modell - oder eben auch als Medium -nutzte): Aber gerade in diesen ersten - teils fragmentarischen, bestoßenen, zerzausten
und individuell eingekleideten Spielzeugen spürte sie, dass sie ihr viel über ihr gehabtes Beisammensein mit Kindern erzählen wollten - über deren Träume,
und dem zu erwarteten Rollenspiel für jedes einzelne Kind: Vögel sitzen auf der bunten Sofalehne, die von der Freiheit und der weiten Welt zwitschern,
und daneben eine Schnecke mit der Option, sich ganz in sich zurückzuziehen.
Dann Andeutungen einer mütterlichen Matrjoschoschka, Blüten für die Schönheiten der Natur, ein Käfig, der die abenteuerlichen Piepmätze, die ohnehin
schon von einem wachsamen Auge beobachtetet werden, früher oder später wohl doch erwartet, während Fische sich überall im Bild recht frei bewegen
können. Gelten doch Fische vielfach als Symbol des Lebens und der Fruchtbarkeit - bevorzugt allerdings für das männliche Prinzip.
Und als Allegorie auf das Glück betont der Fisch seine Unbeständigkeit, da er überaus wendig und schwer zu halten ist.

Klar, dass Evas Apfel der Verführung und der Erkenntnis, aufgeschnitten mit seinen fünf Stübchen, für den Typ Puppenmutti bereit liegt, die so Vieles
unter einen Hut - oder wenigstens ihr rosa Schleifchen - bringen muss und dabei dennoch weiterhin hübsch und "adrett" aussehen will.
Doch sie hat schon gelitten: "Am Fuß beschädigt und bestoßen", wird ihr gnadenlos auf dem Etikett bescheinigt, was ihren Marktwert
natürlich herabsetzt. Überdies ist sie längst aus der Schutzzone des verspielten Platzdeckchens herausgerückt, wo sich außer den anderen
"Familienmitgliedern" noch Mäuschen und Flugzeuge im Stil der Kinderzeichnungen von Enkelin Lena tummeln.

Diese ganze Armada von Symbolen durchzieht einmal mehr, das andere Mal weniger offensiv Astrid Grauers gesamte Bilderwelt, ergänzt durch
die emotionale Farb- und Formensymbolik.

Sie ist längst zu eben jener weisen Einsicht gekommen, die schon Wilhelm Busch aussprach: "Wer hinter die Puppenbühne geht, sieht die Drähte."

Aber trotzdem wiederholt sie sich nie! Der Reichtum des Lebens stößt sie immer wieder auf neue gleichnishafte Bildideen.
Trotz der vielen aufgedeckten Schatten im Leben blitzt vielerorts Humor auf, wenn beispielsweise eine provokante nackte Blondine mit ihrem
Puppenpopo direkt auf dem Selbstporträt der Künstlerin posiert, das als "Stabile Grundlage" in einen mit jugendstiligem Millefiori-Dekor eingewirkt
und überdies mit einer goldenen Gloriole hinterfangen ist.
Und - o je, wenn sie sich dieses Selbstporträt einmal genau betrachten, oder dem anderen Bildtitel "Am seidenen Faden"
folgen wollen, und Sie drehen das ganze Bild gedanklich um 180° um, dann schwebt die Künstlerin selbst, als dämonischer Rache- oder Schutzengel über dem
ganzen Chaos der sie beide umtosenden Hirngespinste.

Wunderbar in ihrer Vieldeutigkeit auch Bilder, wie "Sündenbock oder Unschuldslamm", "Jungfer im Grünen" oder "Reise ohne Ziel", in die sie auch verstärkt
landschaftliche Elemente einbringt,- einmal mit einer deutlichen stilistischen Verbeugung vor ihrem großen künstlerischen Idol, Gustav Klimt, das andere Mal
mit dem liebevollen Bekenntnis ihrer bodenständigen Heimatverbundenheit.

So soll die "Reise ohne Ziel" nicht nur auf einem folkloristisch bestickten Blütenteppich beginnen - dessen umgeschlagener Rand zeigt auch ein langes
unverwechselbares Panoramabild des in Wiesen gebetteten Elbelaufs oberhalb Meißens mit Riesa und Strehla.
Natürlich übernimmt auch hier die kleine Eva, kaum merklich, die aktivere Rolle, während sich ihr Puppenfreund in dezent überspielter Zurückhaltung übt.

Astrid Grauer weiß genau: "Die Qualität eines Bildes liegt in der Form,… die formalen Beziehungen sind das Wichtigste, ihre ästhetische Ordnung, in der das
Ganze größer ist, als die Summe seiner Teile"
, wie sie es täglich ihre Schüler lehrt.
Und auf die Frage, warum sie selten Landschaften malt, antwortete sie einmal, "Landschaften kann man auch fotografieren, Gefühle nicht, die muss man malen."

Hier würde natürlich jeder passionierte Landschaftsmaler widersprechen, der auch in der Landschaft Seele und unverwechselbares Wesen sieht und malerisch
herausarbeitet - wie sie selbst es doch auch in ihren beiden Beispielen hier, der weiten heimischen Elblandschaft "Morgenlicht oder Herbst im September"
und dem "Durchgang am Schloss in Diesbar-Seußlitz", bewusst oder unbewusst tat.

Aber trotzdem ist der dahinterstehende Gedanke ganz charakteristisch für sie, da es ihr nie auf das bloß Sichtbare, sondern vor allem eben auf das verbal
so schwer zu formulierende, größtenteils im Verborgenen wirkende Unsichtbare ankommt.

In den jüngeren Arbeiten treten vermehrt auch wieder neue Modelle auf:
französische Puppen etwa, - auch sie, Astrid selbst, im Porträt, als immer wieder zu befragendes Orakel - im Kreis ihrer Puppen, oder aber im Spiegel,
scheinbar als Kopf eines solchen tradierten Puppenkorpus, mit weltoffen erhobenen Händen - immer auf der Suche nach Wahrhaftigkeit.
Oder aber ihre Enkelinnen, die, wie sie wohl erkennt, in der Unvoreingenommenheit inmitten ihres heilen, aber durchweg vielseitig interessanten Weltbildes,
ihr momentan voraus sind und dies in ihrer unbefangenen Art - zumindest als etwa 5 Jährige - in unübertroffener Poesie ins Bild brachten: mit Dampfschiff
und einer Insel mit Hängematte und Nest, mit Rakete neben fliegendem Fisch und Delfin, mit Schneeflocken und Kirschen, die zugleich vom Himmel der
"Verzauberten Landschaft" fallen und mit der Sonne auf einer Welle reitend… …Wie war das doch? "Landschaften kann man fotografieren???...
Ok! - dies Bild von Lena ist eindeutig mehr als Landschaft. - Es ist Gefühl!

Möge das Gedankenkarussell sowohl bei den inzwischen jugendlichen Enkelinnen, als auch bei Astrid Grauer fortan die Balance
von "Eigensinn", "Verzückung" und "Träumereien" in gutem Verhältnis halten, dass sie weder stupid im Kreis fahren, noch je lohnende
Ziele aus den Augen verlieren.
Nehmen wir den Titel einer der jüngsten Arbeiten von Astrid Grauer wörtlich, und nehmen wir ihn persönlich: "Die Zukunft steht in den Sternen oder:
Mensch, ärgere dich nicht!"
, wobei wir standfest unsere Position auf dem Spielplan halten wollen.

Ich könnte nun stundenlang hier weiter philosophieren, deuten und beschreiben, während Sie, verehrte Gäste ihrerseits ganz eigene Entdeckungen in
Astrid Grauers wunderbarer gleichnishaften Bilderwelt finden werden.

Danken wir ihr für diese überreichen Denkangebote, wie auch den Veranstaltern um Frau Hirschberg, die dies ermöglichen -

ICH wünsche der Ausstellung viele aufmerksame Besucher - so aufmerksam wie Sie, verehrte Gäste - haben Sie einen anregenden Abend!

Jördis Lademann, 2. September 2022